Eine kleine Einleitung zum besseren Verständnis:
Ghede, auch Gede oder Guèdè geschrieben ist eine große Familie von Loa, die den Tod und die Fruchtbarkeit verkörpern. Um es kurz zu machen: Der „Chef“ der Gedes ist Baron Samedi sowie seine Frau Maman Brije. Beide „regieren“ über diejenigen Toten-Seelen, die zu Lebzeiten vergessen wurden und nach deren Ableben vom Baron höchstpersönlich aus dem „Fluss des Vergessens“ geborgen und in seine Familie aufgenommen wurden. Es werden von ihm nur jene Seelen „geborgen“ die ihr Leben auf eine Art gelebt haben, die – sagen wir mal – „sehr intensiv“ war.
Wenn hier von „Erscheinen und Aussehen“ gesprochen wird, so bezieht sich dies auf deren Erscheinung in Träumen, oder ganz handfest, in Bessessenheit – wenn sich der Baron oder ein Gede – einen Körper leiht und diesen für eine bestimmte Zeit für sich in Anspruch nimmt. Dabei bevorzugt dieser dann entsprechende Kleidung etc. was hier in folgendem Text ausführlicher besprochen wird. In seltenen Fällen erscheint ein Gede auch einfach mal so – ähnlich eines Geistes – der dann einfach wieder im Nichts verschwindet. Der Baron selbst erscheint höchst selten, da er niemanden erschrecken möchte. Wenn er sich überhaupt zeigt, dann meist nur jenen, die sehr eng mit ihm in Verbindung stehen.
Gede – die fröhlichen Totengeister des Vodou
Ihr Aussehen flößt oft Irritationen und Schrecken ein. Sie tragen gerne Totenkleidung oder die Kleidung der Bestatter mit Zylinder und Frack. Manche tragen nur schwarze Hosen, gehen barfuß, ihren nackten Oberkörper nur mit einer Art schwarzen Blazer bedeckt. Um deren Hüfte tragen sie gerne lilafarbene oder schwarze Tücher, die sie zu Bändern zusammengeschnürt haben. Da die meisten Ghede schwarzer Hautfarbe sind, haben sie ihr Gesicht weiß gepudert, um die Leichenblässe darzustellen. Ihre empfindlichen Augen schützen sie mit Sonnenbrillen. Manche haben in ihre Nasenlöcher längliche Tüchlein gesteckt und sprechen dadurch sehr nasal. Sie sehen zum Teil urkomisch aus, zumal ihre etwas „angestaubte“ und drollig zusammengestellte Kleidung diesen Eindruck noch verstärkt. Ihre Farben sind ein dunkles violett, schwarz und weiß, also die Farben des Todes und der Trauer. Ihr Wesen ist von fröhlicher Art mit einem, gelinde gesagt, etwas derbem Charakter und rabenschwarzem Humor, sie lieben obszöne Witze und schätzen es sehr die ein oder andere „verklemmte Person“ in Verlegenheit zu bringen. Ihre ordinäre Ausdrucksweise treibt selbst der abgebrühtesten Prostituierten die Schamesröte ins Gesicht und ihre Ehrlichkeit lässt so manchen erschaudern. Wer sie jedoch näher kennt, weiß ihre weisen Ratschläge zu schätzen – und stört sich auch – ehrlich gesagt, nicht an deren obszönen Verhalten.
Mit Spott und Hohn nehmen sie das Leben und den Tod aufs Korn und erinnern die Menschen daran, die Dinge nicht allzu ernst zu nehmen. Durch die Geburt ist der Tod unvermeidlich – kein Grund, das Leben nicht zu genießen. Durch ihr exzentrisches Verhalten stellen sie die Welt der Menschen auf den Kopf und zeigen ihnen, dass dem Leben und damit dessen unvermeidbarem Ende am Besten mit einer ordentlichen Prise Humor zu begegnen ist.
Die Ghede sind auch Meister der Sexualität – ja, das ist ihr liebstes Spezialgebiet. Sie lieben es die menschliche Sexualität hemmungslos ins Lächerliche zu ziehen, was besonders im Tanz anschaulich dargestellt wird. Ihr liebster Tanz ist der Banda, bei dem der Geschlechtsakt durch wildes Hüftschwingen und deutliche Andeutungen dargestellt wird. Sie lieben es die Sexualität zur Schau zu stellen, ihre Geschlechtsteile zu entblößen und besonders zart besaitete Personen, die verklemmt mit ihrer Sexualität umgehen, vor allen Leuten bloß zu stellen. Sex gehört zum Leben dazu, er ist der Akt der Leben erschaffen kann, somit ist auch er untrennbar mit dem Tod verbunden, der ja wiederum die Schwelle zu neuem Leben darstellt. Am witzigsten finden die Ghede diese Leute, die sich auf der einen Seite besonders peinlich berührt vom Thema Sex zeigen, auf der anderen Seite nahezu besessen von Sex sind.
Da machen die Ghede auch nicht vor anderen Loas halt, besonders Erzulie hat es ihnen angetan. Je nach Laune kann sie durchaus gerne mal den Spott der Ghede und besonders den von Baron Samedi anziehen. Darüber ist sie „not amused“- um mich mal vorsichtig auszudrücken.
Als Wesen die sowohl das Leben wie auch den Tod überschauen können, sind sie unendlich weise. Sie sind die Vermittler zwischen Leben und Tod und folgen ihren eigenen Gesetzen. Sie „reiten“ wen sie wollen, und fragen nicht nach „Erlaubnis“. Oft tauchen sie auch ganz unverhofft in Zeremonien auf – was – je nach Ritual unangenehme Folgen haben kann oder aber dem Ritual eine Leichtigkeit geben kann, wie es nur den Ghede möglich ist. Sie schaffen es innerhalb kürzester Zeit, selbst das ödeste Ritual zu einem rauschenden Fest zu machen – in ihren Augen jedenfalls ;-). Sie greifen dann auch mal gerne anwesenden Frauen unter den Rock, an die Brüste oder reiben sich an ihnen – ob die Frau das möchte oder nicht, ist ihnen völlig schnuppe. Jegliche Autorität und gesellschaftliche Regeln werden von ihnen in Frage gestellt. Mit gespenstischer Sicherheit picken sie denjenigen heraus, der etwas verbergen möchte, und posaunen dann hemmungslos jedes noch so kleine schmutzige Detail heraus. Die meiste Freude bereitet es ihnen, wenn sie diese Leute „reiten“ die ihnen zuvor durch ihr snobistisches, humorloses und perfektes Verhalten aufgefallen sind und dazu noch alles besser wissen, da bleibt kein Auge trocken. Kommt die so gerittene Person dann wieder zu sich, wird sie mit Sicherheit als absoluter Vollidiot dastehen.
Wenn man sich von diesem Verhalten nicht beeindrucken lässt, wird man ihre Ratschläge zu schätzen wissen. Sie haben einen unendlichen Schatz an Wissen, welchen sie gerne weitergeben, wenn man ihnen denn zuhören möchte.
Solltest Du mitbekommen, wie jemand von einem Ghede geritten wird, dann kannst du die Gelegenheit nutzen ihn – sofern er mitmacht – kurz mal zur Seite zu nehmen, um ihn um Rat zu fragen. Wenn er dich nicht gerade auf dem Kieker hat, wird er diese gerne beantworten. Die Ratschläge der Ghede sollten stets ernst genommen werden.
Übrigens, die Ghede stibitzen gerne mal das ein oder andere. Darüber sollte man also nicht schockiert sein, meist sind es Kleinigkeiten wie Zigaretten oder Essen, es können aber auch Sonnenbrillen sein.
Die Ghede haben unterschiedliche Namen, ein paar davon möchte ich hier vorstellen:
Baron Samedi
a.k.a Lord of death & Lord of the dead
Baron Samedi ist der Chef der Ghede, sein Wort ist Gesetz und daran halten sich auch die Ghede.
Er gilt als einer der mächtigsten und meistgefürchtetsten Loas, weil er buchstäblich das Leben der Menschen in der Hand hat. Wenn er sich weigert, „das Grab für jemanden zu schaufeln“ wird diese Person nicht sterben. Wenn allerdings Baron Samedi der Meinung ist, die Person hat lange genug gelebt, dann hilft auch kein Flehen mehr … Er ist der Hüter der Schwelle von Leben zum Tod, und bestimmt auch, was nach dem Tod der Person mit ihr geschieht. Er nimmt seine Arbeit sehr ernst, jedoch ohne den pfeffrigen Humor der Ghede zu vernachlässigen, dem setzt er im Gegenteil noch die Krone auf. Baron Samedis Humor ist schwärzer als die Nacht, die ihn umgibt!
Wenn ein Verstorbener Kummer mit seinen Angehörigen hat, kann er Baron Samedi um Hilfe bitten. Dieser gibt dann – meist durch Träume – den Angehörigen Bescheid ihr Verhalten zu ändern. Dies sollte dann nicht als Rat sondern besser als Befehl verstanden werden. Baron Samedi kann, bei Leuten, die er nicht leiden mag, gelinde gesagt etwas „grob“ und „ungeduldig“ werden. In klaren Worten gesprochen „die macht er fertig!“ – einmal seinen Groll auf sich gezogen, lässt er nicht mehr locker und zeigt auch keinerlei Erbarmen. Wem er jedoch sein Herz schenkt, kennt ihn als treusten Begleiter, weisen Ratgeber, strenger Vater, mächtiger Magier, großer Heiler und liebevoller Freund etc. Die Liste seiner positiven Eigenschaften ließe sich ohne Übertreibung unendlich fortführen … 🙂 Befreundet ist er unter anderem auch mit Ogou Feray, den er sehr schätzt.
Wer Kontakt mit Verstorbenen aufnehmen möchte, muss zuerst Baron Samedi anrufen. Wenn er nicht einwilligt, wird kein Kontakt zustande kommen, dann bleiben die Tore der Totenwelt geschlossen. Er entscheidet, wer mit wem kommunizieren darf und wer nicht. Er ist übrigens auch die letzte Anlaufstelle, die aufgesucht werden kann, wenn Tod durch schwarze Magie droht. Steht die Person im Schutz von Baron Samedi, wird sie nicht durch schwarze Magie sterben.
Sein Symbol ist das gleichschenklige Kreuz, es symbolisiert die Schnittstelle zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. Wer ihm eine Freude machen möchte, kann ihm folgende Dinge schenken: Sarg, schwarze Bohnen, Friedhofserde, Aschenbecher mit Totenköpfen drauf, Rum, Zigarren, Zigaretten, tolles Geschirr mit Totenköpfen drauf, eine Tod-Tarotkarte, Zylinder, Totenkopf, lilafarbene und schwarze, weiße Bänder und Tücher, Chilli und Rum mit Chilli …
Baron Samedi erscheint meist als dunkelhäutig, in Frack und Zylinder, mit nackter Brust. Er trägt eine oder mehrere Sonnenbrillen, raucht Zigarren oder Zigaretten und trägt seinen Frackstock mit sich. Diesen nutzt er auch oft um ihn zwischen die Beine zu klemmen, um damit einen riesigen Penis zu symbolisieren. Er ist groß, schlank und muskulös und sieht verdammt gut aus. Wenn er sich allerdings einen kleinen Scherz erlauben möchte, kann er sich auch ab und zu als Skelett (nicht zu verwechseln mit Baron La Croix!) oder als verweste Leiche zeigen, inklusive ihres Geruchs. Er kann also durchaus seine Gestalt wandeln – ganz wie es ihm beliebt.
Wenn’s mal besonders förmlich sein soll, erscheint Baron Samedi im Trio, zusammen mit Baron La Croix und Baron Cimetiére, ab und zu begleitet ihn dann auch seine Gattin Maman Brijit (Brigitte). Die Barone gelten übrigens auch als Richter. Dabei sollte man allerdings wissen, dass wenn der Angeklagte eng mit einem der Barone befreundet ist, die Barone immer zu ihm halten werden, egal ob er schuldig ist oder nicht. Wenn also ein „Außenstehender“ Baron Samedi um Gerechtigkeit bittet, es dabei, aber um einen Schützling von Baron Samedi geht, dann wird er ihn nicht ans Messer liefern. Es kann zwar sein, dass er seinen „Schützling“ dennoch bestraft, aber dann aus persönlichen Gründen und nicht weil dieser angeklagt wurde.
Baron La Croix
Baron La Croix ist der Hüter der Grabkreuze. Er erscheint meist in der Form eines Skelettes und ist bekannt wegen seines ungezügelten Spotts und Hohns. Er ist ein sehr lustiger und weiser Loa, vorausgesetzt man lässt sich nicht von seinem Erscheinungsbild erschrecken.
Baron La Croix erinnert Dich daran, dass Leben in vollen Zügen zu genießen – Du weißt nie wann es vorbei sein wird, warum also nicht einfach glücklich sein?
Er ist der fröhlichste der Barone und ist gerne bereit Dir durch dunkle Zeiten zu helfen, wenn Du ihn höflich darum bittest.
Baron Cimetiére
Ist der Beschützer des Friedhofs und der Gräber. Auch er erscheint in der Form eines Skeletts.
Maman Brijit (Brigitte)
Maman Brigitte – die Frau von Baron Samedi – ist die Mutter der Ghede-Familie und eine mächtige Magierin. Sie herrscht über die Friedhöfe und Grabsteine. Wie alle Ghede ist sie in ihrer Redeweise vulgär und garstig. Sie ist bekannt dafür, keine Gefangenen zu machen.
Wer sie ruft, muss damit rechnen derb von ihr beschimpft zu werden. Sie zieht es vor, den Bittsteller mit einem „Hau ab Du Pisser“ und weiteren Schimpfkanonaden zu verjagen, anstatt zu helfen. Sie ist harsch, aber gerecht. Begegne ihr mit großem Respekt, während Du Deine Bitte vorträgst. Sie wird Dir aufmerksam zuhören und Deine Bitte gründlich prüfen. Ob Maman jedoch hilft, entscheidet sie ganz allein. Wenn sie hilft, kannst Du Dir sicher sein, dass Sie alles ihr Mögliche in die Wege leitet, um Deine Bitte zu erfüllen. Wird sie bei Streitigkeiten gerufen, und hat sie sich entschieden Dir zu helfen, wird sie – egal ob Du im Recht oder Unrecht bist – immer auf Deiner Seite stehen.
Maman Brigitte ist bekannt als mächtige Magierin, sie und ihr Mann Baron Samedi werden oft gerufen um totkranke Menschen zu heilen, besonders wenn dies durch schwarzmagische Zauber verursacht wurde. Da sie die Vergangenheit wie auch die Zukunft sehen kann, ist sie unendlich weise und kann bei verschiedensten Angelegenheiten um Rat gebeten werden. Maman und Baron Samedi sind die Beschützer der Kinder, und können bei allen Angelegenheiten, die mit Kindern zu tun haben gerufen werden. Auch bei unerfülltem Kinderwunsch kann sie um Hilfe gebeten werden.
Ghede Nibo
Im dominikanischen Voodoo wird Ghede Nibo Saint Expedit zugeordnet (je nach Quelle), deshalb werden magische Rituale, die mit seiner Hilfe ausgeführt werden, „Expeditions“ genannt. Man sagt er trägt ein Shirt mit Schachbrettmuster, also schwarz-weiß kariert. Dazu schwarze Hosen, bei denen ein Hosenbein nach oben gerollt wird, einen Strohsack auf der Schulter und eine Sonnenbrille, bei der ein Glas fehlt. Als Hut trägt er gerne einen Strohhut. Meistens sieht man ihn auf Friedhöfen neue Gräber ausheben, manchen begegnet er einem in Krankenhäusern oder aber nach einer Beerdigung. Je nachdem, welche Voodoo-Religion gelebt wird, wird er auch als Papa Ghede bezeichnet. Manche beschreiben ihn auch als schüchternen, schwarzen Loa, der unsterblich in Erzulie verliebt ist, von ihr aber abgelehnt wird, weil er schwarz ist. Die Quellen berichten hier Unterschiedliches.